Fahrbericht Pagani Huayra BC: Erste Ausfahrt im neuen Über-Pagani (2024)

Nachts um 3:30 Uhr aufstehen. Dauertestwagen schnappen und bei Schneetreiben von Stuttgart nach Mailand fahren. Anschließend von Mailand-Linate nach Catania auf Sizilien fliegen, um sich dann noch einmal mit einem 1,3-Liter-Fiat-500L-Diesel-Mietwagen stundenlang über eine vielbefahrene Insellandstraße kämpfen. Klingt nicht nach Vergnügen, ist es aber. Weil am Ende der beschwerlichen 15-Stunden-Anreise ein wahres Automobilkunstwerk darauf wartet, gefahren zu werden: der Pagani Huayra BC.

19.00 Uhr, wir stehen in einem dunklen Innenhof, der mit diesem für Italien so typischen, gelblichen Licht diffus beleuchtet ist. Ein abgeschiedenes Landgut inmitten der sizilianischen Felder vor der Barockstadt Ragusa, dorthin hat uns Horacio Pagani gerufen. "Wofür steht das neue Huayra-Namenskürzel "BC"?" "BC steht für Benny Caiola", erzählt Horacio. Optisch wird sofort klar, dass der Huayra BC die Hardcore-Variante des bisherigen Pagani-Supersportwagen Huayra ist. Das Glänzen in den Augen des mittlerweile 60-jährigen verrät, dass er noch immer mit so viel Leidenschaft bei der Sache ist, wie damals, im Jahr 1992, als er die Kleinserienschmiede im norditalienischen San Cesario sul Panaro nahe Modena gegründet hat.

Pagani Huayra BC ist Hommage an den ersten Kunden

Benny Caiola war der erste Kunde, der an den Lebenstraum von Pagani geglaubt hat. Beinahe wie von einem Bruder erzählt Horacio die Geschichte des New Yorker Ferrari-Sammlers Caiola, der 1999 das allererste von Pagani überhaupt produzierte Auto gekauft hat. "Anschließend hat Benny einen Brief geschrieben, in dem den Wagen als Michelangelo der Automobilindustrie bezeichnete. Außerdem hat er einen Check über 1.000 Dollar beigelegt, damit ich meine Mechaniker, als Dank für die gute Arbeit, zum Abendessen einlade", erinnert sich Horacio immer noch sichtlich stolz zurück.

2010 starb der Sportwagensammler Caiola. Schnell war die Idee geboren, einen Pagani nach ihm zu benennen. Der Pagani Huayra BC verfügt nicht nur über die vom Basis-Huayra bekannten, aktiven Aerodynamikklappen an Front und Heck, sondern über ein grundlegend modifiziertes Aerodynamikkonzept. Bis auf die Dachpartie sollen sämtliche Karosserieteile neu entwickelt worden sein. Die Frontschürze trägt nun einen ausladenden Frontsplitter sowie Carbon-Flics. Auch die Heckpartie überarbeiteten die Pagani-Entwickler. Neben dem modifizierten Diffusor kommt jetzt ein feststehender Heckflügel zum Einsatz.

Pagani Huayra BC mit Radhausentlüftung wie im 911 GT3 RS

An den vorderen Kotflügeln fällt zu dem ein faszinierendes Aero-Detail auf, das wir aus der Sportwagen-Serienentwicklung bisher nur vom aktuellen Porsche 911 GT3 RS kennen: Obere Radhausentlüftungen, deren Schlitze mehr an Rennsport als StVZO erinnern. Im Vergleich zum bisherigen Huayra wuchsen außerdem die seitlichen Radhausentlüftungen, die auch beim BC in den Türen sitzen. Das Wort "Tür" untertreibt auch beim Pagani Huayra BC mächtig. Fast majestätisch hebt der Kleinserien-Supersportler seine Flügeltüren.

Rund 20 Exemplare des BC sollen in Handarbeit entstehen. Neben 136 Zonda-Modellen haben bisher 94 "normale" Exemplare des Huayra die Werkshallen von Pagani verlassen. "Wir wollen keine 300 Fahrzeuge pro Jahr herstellen. Pagani soll exklusiv bleiben", sagt Horacio. 37 automobile Kunstwerke haben die 120 Pagani-Mitarbeiter im abgelaufenen Jahr gefertigt.

Jeder Satz von Horacio ist gefüllt von Leidenschaft. Leidenschaft, die nicht nur seine eigenen Fahrzeuge kennt. "Ich liebe schöne Autos", sagt der Pagani-Chef. Fast hätte er sich einen Ferrari LaFerrari gekauft, da der "so wunderschön sei". Warum es dann doch aber ein Porsche 918 Spyder geworden ist? "Der ist im Alltag einfacher fahrbar als der LaFerrari. Der 918 ist perfekt, nur leider zu schwer", sagt Horacio, der neben dem 918 auch noch einen Carrera GT besitzt.

Leergewicht des Über-Pagani: nur 1.218 Kilogramm

Während der Pagani Huayra BC draußen im Innenhof schlummert, hat uns Horacio ins Innere des rustikal-eleganten Landguts gebeten. Kaminfeuer, Antipasti, Geschichten - zuhören ist bei Pagani-Terminen mindestens genauso fesselnd, wie das Fahrerlebnis selbst. Wo waren wir stehen geblieben? Richtig, das Gewicht. Viel zu schwer sei der Hybrid-Sportler 918 mit seinen über 1.600 Kilogramm. "Wir haben uns bewusst gegen das Thema Hybrid entschieden, da uns Leichtbau sehr wichtig ist. Unseren Kunden geht es genauso. Kein Kunde hat uns je gefragt, ob wir nicht einen Hybrid bauen wollen. Wir haben eine Nürburgring-Simulation gemacht mit einem Hybrid-Fahrzeug, das zwar 200PS stärker ist, aber trotzdem 5 Sekunden langsamer war, als mit konventionellem Antrieb. Das sagt doch alles", erklärt Horacio. Mit einem Leergewicht von 1.218 Kilogramm soll der Huayra BC, der unter seiner Karosserie ebenfalls ein Monocoque aus Carbon- und Titanfaser trägt, rund 130 Kilo leichter als der Basis-Huayra (Leergewicht 1.350 kg) sein.

Mittlerweile ist es 23.30 Uhr. Wir könnten noch ewig Horacios Geschichten lauschen, doch gegen einen nächtlichen Highspeed-Ausflug über die ehemaligen Routen der Targa Florio hätten wir jetzt auch nichts einzuwenden. Doch Meister und Kunstwerk müssen Nachtruhe halten - wir bekommen kurzfristig einen Slot von 5 Uhr morgens bis 11 Uhr für Fotos und Fahreindrücke zugeteilt.

Der Pagani Huayra BC kostet 2,4 Millionen Euro

Vor der kurzen Nachtruhe will noch eine wichtige E-Mail gen Heimat gesendet werden. Über diesem Fahrtermin schwebt nämlich ein Zahlenwert, der heute alles anders macht, als sonst. 2,4 - bitte noch einmal auf der Zunge zergehen lassen - Zweikommavier Millionen Euro kostet der Pagani Huayra BC. Da muss man doch einmal nachfragen, wie es um die Versicherung steht. Die Antwort aus der Pagani-PR-Abteilung ist eindeutig: "Der Wagen ist nicht angemeldet und auch nicht versichert!" Im Klartext. Für Schäden sind wir verantwortlich.

Uffff, tief durchatmen. Diese Ansage sorgte im Vorfeld des Fahrtermins, verständlicherweise, für einen regen E-Mailverkehr zwischen Autor, Chefredaktion, Verlagsleitung, Controlling und schlussendlich auch unserer Versicherung. Im Normalfall sind die Testwagen entweder über den Hersteller versichert oder über "unsere" Versicherung und zwar bis zu einer Schadenssumme von maximal 1,5 Millionen Euro. Okay, bis der Wert des Pagani Huayra BC erreicht ist, fehlt aber noch ein herrschaftliches Einfamilienhaus in bester Lage. Lange Rede kurzer Sinn, nach Anhebung der Selbstbeteiligung auf 25.000 Euro gab unsere Versicherung grünes Licht, will aber jederzeit über den genauen Zeitpunkt des Fahrtermins informiert werden. Also jetzt noch einmal um Mitternacht eine Mail mit großem Verteiler raushauen. Glück gehabt, in der Einöde Siziliens gibt es Netz.

Fünf Stunden später, der gesamt Pagani-Tross steht mit verschlafenen Fünf-Uhr-Morgens-Augen vor der barocken Altstadt von Ragusa. Der Pagani Huayra BC wirkt vor den historischen Gemäuern noch frischer, futuristischer und großartiger als ohnehin schon. Zunächst ist unser Fotograf dran, der mal wieder großartiges leistet. Ihnen gefallen die Bilder auch? Gebe ich an dieser Stelle gerne mal weiter.

Faszination pur: Gegenläufige Tachoskalierung bis 415km/h

Ja und wie fährt er sich den jetzt? Ähh, keine Ahnung. Aus Sicherheitsgründen lenkt der Pagani-Testfahrer den BC die rund zehn Kilometer auf der Landstraße von besagtem Landgut bis nach Ragusa. Bisher könnte ich euch nur erzählen, wie unser Fiat-500L-Mietwagen seinem Ruf hier gerecht wird.

Und dann der große Moment. Für die Fotoaufnahmen räumt der Pagani-Testfahrer seinen Stammplatz. Flügeltür öffnen, rein in das co*ckpit im kanzelartigen Gruppe-C-Gedächtnisstil. Carbonschalensitz statt ausgesessenes Mietwagengestühl, Pagani Huayra BC statt Fiat 500L. Wahnsinn, noch einmal kurz rekapitulieren, für den Gegenwert des Pagani könnte man die leeren Gassen hier mit rund 120 Fiat 500L verstopfen. Doch das Wort "überteuert" geht bei vielen anderen Supersportwagen schnell über die Lippen, nicht so beim Huayra BC. Carbon, Aluminium, Leder, Alcantara - die Highend-Verarbeitung dürfte sogar die Extravaganzexperten von Bentley und Rolls-Royce neidisch machen.

Das Kombiinstrument besteht hier nicht aus schnöden Digitalanzeigen, sondern erinnert mit seinen analogen Rundinstrumenten an eine Mischung aus historischem Fluggerät und hochwertigen Chronographen. Nicht nur das "große Ganze" begeistert bei Pagani, sondern auch die zahlreichen Detaillösungen, wie die gegenläufige Tachoskalierung bis 415km/h, die Lederriemen für den Verschluss von Frontdeckel und Motorhaube oder auch der Zündschlüssel. Seine Skulptur ähnelt mehr einem Modellauto im Maßstab 1:43.

V12-Biturbo jetzt mit rund 800 statt bisher 730PS

Gestartet wird der Huayra BC noch klassisch per Zündschlüsseldreh. Kurzes Anlassersirren, dann erwacht der Sechsliter-V12-Biturbo noch kehliger, noch brodelnder als bisher zum Leben. Ein kurzer Gasstoß - aus dunklem V12-Leerlaufgurgeln wird blechernes Auspuffgrummeln. Auch die mittig angeordnete Abgasanlage mit den jeweils übereinander angeordneten Doppelendrohren gleicht Pagani-typisch einem Kunstwerk. Im Vergleich zum normalen Huayra nutzt das BC-Modell eine neue Titanabgasanlage, die nur 2,9 Kilogramm wiegen soll und damit rund sieben Kilo leichter als bisher sein soll.

Die traditionelle Motoren-Ehe zwischen Pagani und AMG bleibt auch beim Huayra BC frischer denn je. Der M158 genannte V12-Mittelmotor, dessen Basis unter anderem einst auch im SL 65 AMG Black Series aktiv war, fertigt die Sportabteilung von Mercedes exklusiv für den italienischen Kleinserienhersteller. 730PS und maximal 1.000 Newtonmeter Drehmoment explodierten bisher im Huayra-Heck. Und wie geht das aktuelle Sechsliter-Aggregat mit Leistungssteigerung? Keine Ahnung, nur so viel kann ich bisher sagen: Bei 30km/h Zuckeltempo hinter dem vorrausfahrenden Fotoauto verhält sich der rund 800PS starke Biturbo erstaunlich handzahm. Eine kleine Bewegung am Gaspedal und sofort brandet ein hintergründiges Zischen auf - Vorboten eines infernalischen Turbopunchs mit einem maximalen Drehmoment von bis zu 1.100 Newtonmetern. Die Leistungswerte bezeichnet Pagani als noch "nicht final".

Gegensätze ziehen sich an: Fiat 500L und Pagani Huayra BC

Ende der Fotofahrt in der Altstadt von Ragusa. Warum müssen wir uns heute mit dem Mittelmotorhelden nur durch den Stadtverkehr quälen? Mit dem "Autodromo di Pergusa" bietet doch auch Sizilien eine wunderbare Rennstrecke, auf der man die querdynamischen Fähigkeiten des Pagani Huayra BC zumindest ansatzweise hätte ausloten können.

Für den Einsatz auf der Rennstrecke bietet Pagani, neben den serienmäßigen 20-Zoll-Rädern vorne und 21-Zoll-Rädern hinten samt Pirelli P Zero Corsa-Reifen auch die Kombination 19- und 20-Zoll mit Pirelli P Zero Trofeo R-Pneus an. Wie reagiert die verfeinerte Lenkung? Wie lenkt der BC mit dem neu entwickelten Fahrwerk samt einstellbaren Öhlins-Dämpfern ein? Wie verzögert der BC mit seiner Brembo-Keramikbremsanlage. Fragen, die heute leider alle offen bleiben. In das querdynamische "hätte, wäre, wenn" mischt sich höflich der Pagani-Testfahrer wieder ein. Zeit zum Tauschen. Aus 2,4 Millionen Euro werden wieder 20.000 Euro. Raus aus dem Pagani, wieder rein in den Miet-Fiat.

Wow, der Sonnenaufgang über Sizilien entschädigt für das bisher heute noch nicht dagewesene V12-Erlebnis. Zurück auf dem bereits erwähnten Landgut. Was wir noch nicht erwähnt haben: Das Landgut besitzt einen kleinen Privatflugplatz mit geteerter Landebahn. Na da werden wir doch wohl mal kurz eine 800PS-Spur Gummi hinlegen dürfen? Sie ahnen es, maximal Fotogeschwindigkeit sind jetzt erlaubt. Verdammt, irgendeiner hat vor uns eine Extraportion Rollsplitt auf der 660 Meter langen Piste verteilt. Verständlich, dass wir das automobile Kunstwerk hier nicht bei forciertem Tempo "sandstrahlen" sollen.

Wie sieht es denn jetzt, nach den spektakulären Sonnenaufgangsmotiven, mit einem Fahreindruck aus? "Später auf der Landstraße", lautet die Antwort der Pagani-Begleitmannschaft. "Später auf der Landstraße" meint eine typische Insellandstraße mit Abzweigungen aus der jederzeit ein historischer Traktor mit Schritttempo einbiegen könnte - also das ideale Terrain für einen 800PS-Mittelmotorsportler. Egal, wieder raus aus dem Fiat 500L und erneut rein in den Huayra BC.

Hier dürfen Turbos noch nach Turbo klingen

Auf dem Beifahrersitz hockt jetzt der Pagani-Testfahrer und fragt, ob wir wissen, dass der Wagen 2,4 Millionen Euro kostet und nicht versichert sei? "Fünfundzwanzigtausend würde uns ein Abflug maximal kostet", antworten wir. Weitere Details unserer Versicherungsgeschichte gehen im akustischen Biturbo-Inferno unter, als die beiden Lader jetzt bei Volllast komprimierte Luft in das V12-Herz pressen. Wie ist die Traktion hier auf der Landstraße? Der BC könnte wohl easy mit durchdrehenden Rädern bis in den vierten Gang schwarze Striche ziehen. Probieren wir natürlich nicht aus. Erster, zweiter, dritter und fast vierter Gang. Woooooouuuuuusssch-ziiiiiiisssch, Woooouuuuuuussschh-ziiiisssschh - nach jedem Schaltvorgang des neuen Siebengang-Automatikgetriebes von Xtrac fasziniert der AMG-V12 mit herzergreifenden Biturbo-Lauten. Hier darf die Turbotechnik noch klingen, wie sie ursprünglich klingt und wird nicht künstlich weggefiltert. Heute das eindrücklichste Erlebnis.

Nach 1,8 Kilometern heißt es dann wieder tauschen - Fiat 500L statt Huayra BC. Zumindest eine Frage kann damit heute zweifelsfrei geklärt werden und zwar jene unseres Controllers, dessen Mail mich noch auf Sizilien erreicht: "Lieber Herr Gebhardt, hat der Wagen ihren Test überlebt?" Ja! Aber eine Gegenfrage habe wir noch: Was sagt unsere Versicherung eigentlich zu einem Rennstrecken-Termin mit dem Pagani Huayra BC. Nach dem Fahrtermin, der eigentlich keiner war, ist es doch Ehrensache, dass wir von sportauto versuchen, den Über-Pagani zu einem Test nach Hockenheim oder auf die Nordschleife einzuladen.

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